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  • AutorenbildFranzi F.

...Und das gewohnte Gefühl des Versagens

Draußen gießt es, eimerweise Regen prasselt auf das Dachfenster nebenan und die Katzen schleichen nervös von Raum zu Raum, weil sie das Grollen aus dem Himmel fürchten. Ich gönne mir gerade ein Glas Heidelbeerwein, der mehr süß ist als er tatsächlich ein Wein ist. Aber süffig, also trink ich direkt noch einen kleinen Schluck.


Die letzten Tage waren so ermüdend und kratzten mich mindestens genauso sehr auf, dass ich gar nicht so recht anzufangen weiß. Ich denke daran, wie schwer es mir schon immer fiel, die richtigen Worte zur richtigen Zeit zu finden, insbesondere dann, wenn ich immer seltener und seltener schrieb, weil mein Herz voll und mein Kopf eine Weile leer war. Nicht leer im Sinne von "befreit", sondern im überforderten Sinne: Durchaus voll, aber komplett wüst, leer von sortierten Gedanken. Jetzt frage ich mich, ob irgendjemand, der das hier liest, diese Beschreibung nachfühlen kann, oder überhaupt verstehen. Manchmal lebt es sich so schnell, wenn auch stressvoll, dass man keine klaren Gedanken fassen kann. So ging es mir die letzten Wochen, Monate - eigentlich erkennt man es immer daran, dass ich weniger oft schreibe. Und es muss nicht immer nur negativ sein. Immer öfter lebe ich lieber wüst und ungestüm vor mich hin, als meinen alten Dämonen zu verfallen und obsessiv jeden düstren Gedanken auszuformulieren und zu umschmeicheln.


Jetzt sitze ich hier. Mir ist aufgefallen, dass die düsteren Gedanken gerade sehr präsent sind, aber ich gebe mir so viel Mühe, ihnen nicht so viel Platz einzuräumen, wie ich es früher immer tat. Mit einem Blick auf meinen letzten Blogeintrag schüttel ich den Kopf, zucke mit den Schultern, lächle mit einer Art von Galgenhumor nach außen und weine mit Bedauern, dass ich mir wieder erlaubt hatte ein wenig zu träumen, etwas in mich hinein. Ich weiß, das klingt cheesy. Aber die letzten Tage versuche ich mit aller Macht, nicht in Tränen auszubrechen, sondern mich zur Rationalität zu ermahnen, weil ich "es" mir gerade einfach nicht leisten kann.

Ich weiß gar nicht wo ich beginnen soll - gieße mir mein inzwischen fast leeres Glas Wein noch einmal auf. Was für ein Jahr, denke ich mir gerade so, als ob es schon viel weiter vorangeschritten ist - dabei ist gerade einmal Mitte Mai herum. Ich kämpfte nach dem Umzug mit Einsamkeit, von der ich niemandem erzählte, weil es keinen Unterschied machte, versuchte, endlich anzukommen. Ich machte mich selbstständig, stürzte und brach mir einen Wirbel, der bis heute noch Probleme macht. Ich erlebte meinen ersten kompletten Flopp-Monat in der Selbstständigkeit, die andere nur belächeln, weil es ein kleines Gewerbe ist, von dem ich nie leben könnte. Ich verpackte meinen Frust darüber in Selbstzweifel, lernte später, dass das völlig normal ist und akzeptierte, dass das so nunmal ist, wenn man etwas wagt. Manchmal springt man ins kalte Wasser - und merkt dann erst, wie tief es wirklich ist.


Das Jahr lief wirklich schwierig soweit und ich war mehr als bereit für den Sommer, den ich sonst so verpöhnte, bereit für Licht, Leichtigkeit, bereit für Veränderung.

Ich bewarb mich trotz meiner Ängste endlich wieder auf ein Praktikum! Hatte und habe das "Go!" dafür, mir nochmal Zeit zu nehmen, um meinen Realschulabschluss nachzuholen, den ich wegen meiner Störungen, Zusammenbrüche und Stolpersteinen abgebrochen hatte, obwohl ich ihn wirklich längst verdient hatte - und ohne den ich mich nicht abfinden will, weil ich mich in meinem längerfristigen Berufsweg nicht mit weniger zufrieden geben möchte. Alles sprach dafür, dass ich, weil ich mich bis jetzt nicht habe unterkriegen lassen, schlussendlich an diesem Jahr wachse und doch noch eine gute Zeit haben würde - wenigstens für die andere Hälfte des Jahres.


Neulich allerdings lehrte man mich eines Besseren.

Plötzlich stand der Hauptvermieter vor der Tür, erwischte mich in einem Moment, wo mein Mitbewohner - mein Untervermieter - nicht da war, und klärte mich darüber auf, dass seit einem enorm langen Zeitraum - schon bevor ich einzog - die Miete nur bruchteilhaft und oft überhaupt nicht gezahlt wurde. Ich erfuhr sogar, dass längst Schlüsselübergabe gewesen sei - mit Zustimmung meines Mitbewohners! Derweilen hielt er das vor mir geheim, absichtlich, straight from the beginning. Als mir das der Vermieter so erklärte, rang ich wirklich um meine Fassung, weil es mich so unvorbereitet traf. Dann anzufangen zu weinen, vor einem mir bis dato komplett fremden Mann, war mir so unangenehm, doch nichts gegen das Gefühl von Enttäuschung, das mich überrollte. Mein Mitbewohner, der, den ich in vorigen Blogeinträgen als einen Freund bezeichnete, hatte mich wissentlich, dass er weder die Miete der Wohnung noch seine Hälfte, zahlen konnte, hier einziehen lassen. Es war seine Idee, dass ich hier wohnen könnte, weil ich in dieser Stadt kaum eine bezahlbare Wohnung finden kann. Sogar Sprüche wie "Wenn du hier wohnst, gucken wir, dass du finanziell nicht mehr so schlecht dastehst am Ende des Monats, wie in deiner alten Wohnung", hatte er immer wieder von sich gegeben. Immer wieder gab er gönnerhafte Dinge von sich, schenkte mir später zum Beispiel in meinem Tief sogar mal ein sehr teures Videospiel, um mich aufzuheitern. Ich dachte wirklich, meine erste Intuition zu ihm hätte doch einmal falsch gelegen, besonders, weil ich mehrfach von Menschen, die ihn schon länger kannten und deren Meinung ich sehr schätze, dazu angehalten wurde, hinter die Fassade zu gucken. Und tatsächlich! Ich dachte dort einen wirklich netten Menschen erkannt zu haben, meiner Intuition zum Trotze.


Wie falsch ich lag. Und all die Warnzeichen die ich ignorierte, weil man mir gesagt hatte, es sei nur mein erster Eindruck. Als ich hier einzog, musste ich ihm erst erklären, dass er nicht besoffen in mein Zimmer platzen darf, grundsätzlich - aber besonders dann nicht, wenn ich gerade Livestreaming betreibe. Dass er nicht ohne zu klopfen in meine Zimmer kommen kann, um mich zu erschrecken. Dass das nicht lustig ist, besonders nicht mir mit meinem Trauma gegenüber. Ich bat ihn darum, soetwas wie einmal wöchtenlich sein Bad unten zu putzen, einzuführen - was später komplett ignoriert wurde. Ich konfrontierte ihn nie damit, dass ich beim Einzug einen Nervenzusammenbruch hatte, weil es so dreckig in der gesamten Wohnung war. Dass ich stundenlang schrubbte, grundlegende Dinge so verdreckt waren, dass ich mich nicht traute, meine Kisten auszupacken. "Der ist halt gerade in nem Loch", wurde mir eingebrannt, und als empathischer Sklave meines Mitgefühls ließ ich all das zu. Ich dachte: Okay, putze ich das halt alles über mehrere Tage, nach der Grundreinigung wird es leichter. Wurde es auch. Aber nur, weil ich alles übernahm. Es war für mich einfacher, einfach alles zu übernehmen, statt mich immer und immer wieder zu wiederholen, für Streit hatte ich keine Energie - und die Wohnungssituation ist sowieso nur temporär, dachte ich mir. Spätestens als mein Mitbewohner häufiger auf Montage ging, wurde es für mich ok. Ich ignorierte endgültig meine Intention und hatte Frieden damit geschlossen. Bis jetzt.


Nun. Heute erfuhr ich, dass die Räumungsklage - natürlich nicht nur gegen meinen Mitbewohner, sondern auch gegen mich als Untermieterin, eingereicht wurde. Der Vermieter sah sich dazu gezwungen, ist ein guter Typ, so mein Eindruck, und ich verstehe seine Sicht.

Jetzt suche ich im Wettlauf gegen die Zeit eine Wohnung, weil mir sonst Obdachlosigkeit droht. Ich muss mich um so vieles kümmern - nicht nur die Wohnungssuche, sondern muss ich auch auf Schadensersatz klagen, und sichergehen dass mich wegen der Räumung nicht irgendwelche Kosten treffen, denn ich kann ja dafür nichts.

Um ehrlich zu sein bekümmert mich weniger die Enttäuschung über meinen Mitbewohner, als die Situation in der ich mich befinde selbst. Zunächst fühlte ich mich so verloren, so traurig und wütend auf ihn. Aber mit ihm habe ich schnell abgeschlossen. Er ist für mich gestorben, lästiger Dreck unter den Fingernägeln, mit dem ich mich leider noch befassen muss. Die Enttäuschung in ihn ist schnell abgeebbt und stattdessen kam die Einsicht, öfter auf meine Intuition hören zu müssen.


Doch was wirklich gerade tief sitzt ist das Gefühl der Ohnmacht. Immer und immer wieder reiße ich mich zusammen, aller Widerstände zum Trotze. Ich lege mich so ins Zeug, um aus schlechten Startbedingungen doch noch ein gutes Leben zu erreichen. Und ich weiß, ich bin fehlerhaft. Ich weiß, ich war oft nicht genug für diese Gesellschaft und auch nicht für mich selbst. Doch immer und immer wieder, bei all diesem Gegenwind dagegen an zu rennen, ja nicht zurückzufallen, es ist so schwer. Es ist so ermüdend. Ich bin so fürchterlich müde und habe das Gefühl, nirgendwo einmal kurz meinen Kopf ablegen zu können. Und das trotz all der lieben Worte, die mich von Freunden erreichen. Ich schäme mich, weil das vielleicht als undankbar verstanden wird, doch ich fühle mich so alleine damit, dass ich es nicht richtig ausdrücken kann. Ich bin einfach nur müde.

Mein letzter Blogeintrag macht mich heute nur noch traurig.

Wäre es nur mein kaputtes Ich, das mir im Weg steht. Würde es wirklich nur an mir liegen, wie so oft, dann würde ich es akzeptieren, und daran arbeiten, so gut ich kann. Doch wenn immer und immer wieder dein Leben genommen und durch den Fleischwolf gezogen wird, von Leuten, die nicht du selbst sind, dann fühlst du dich irgendwann einfach ohnmächtig. Ich fühle mich einfach nur ohnmächtig.


Ich fühle so vieles. Und wenig davon ist aktuell überhaupt noch etwas Gutes.

Wohin mit mir? Wo komm ich unter? Und was ist mit meinen Katzen, die das bisschen von mir, das wieder halbwegs heile ist, wie Kleber zusammenhalten und mir Frieden schenken. Wo kommen wir unter? Alles was ich tun kann ist zu suchen, nach einem Anwalt, nach einer Unterkunft, nach einem Bild, wie möglicherweise meine Zukunft aussehen kann. Und dieses Mal unterbinde ich jede Form des Träumens, denn ich spüre gerade so viel Verbitterung. Es war zu gut um wahr zu sein, und das trotz all der Warnzeichen.

Aktuell lebe ich in einem Zustand kompletter Überforderung. Mich zusammenreißen, es irgendwie regeln, nicht durchdrehen, funktionieren, lächeln, klarkommen. Leute löchern mich mit Fragen, geben mir fehlerhafte Tipps und ich zwinge mich zum Dankbar sein. Zwinge mich zum Lächeln. Danke für die Hilfe. Danke. Danke für die lieben Worte. Und ich fühle mich, als platze ich jeden Augenblick. Ich will mich ganz klein machen, mich einrollen, aber ich darf das einfach nicht.

Ich nippe stattdessen an meinem Glas Wein, schreibe wüste Dinge, die nur bruchteilhaft das Chaos, die Hoffnungslosigkeit und mich zum Ausdruck bringen. Die mich nur bruchteilhaft entschleunigen. Nur bruchteilhaft sind.


Ein Schritt vor, zwei zurück. Oder anders herum?

Ich habe so viel Herzblut gegeben, mich so sehr angetrieben.

Ich dachte wirklich, dieses Mal wäre es anders.

Und ich bin mir nicht sicher, ob mich meine Erkenntnis weniger Ohnmacht fühlen lässt:


Es liegt nicht nur an mir selbst.













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